Wege zum Glück
Philosophinnen und Philosophen haben der Definition von Glück ihr Leben gewidmet, die Dichtung über diesen verzauberten Zustand und seine Vergänglichkeit füllt ganze Bibliotheken. Die Verfassung der USA erklärt das Glücksstreben, «the pursuit of happiness», gar zu den Zielen des Staates. Auch die Hirnforschung hat sich in den letzten Jahren vermehrt für das Glück zu interessieren begonnen und hat Glücksgefühle wissenschaftlich untersucht.
Neue Abbildungstechniken machen sichtbar, was im Gehirn geschieht, wenn sich jemand freut. Dabei zeigt sich: Gute Gefühle wirken Stress und dessen gesundheitlichen Folgen entgegen, ja sie vermögen sogar das Immunsystem anzuregen. Emotionen tragen dazu bei, dass im Gehirn Nervenverbindungen wachsen.
Herausforderung macht glücklich
Wie aber ist das Glück zu erreichen? Dazu schreibt der Kreativitäts- und Glücksforscher Mihaly Csikszentmihalyi: «Ob man ein Gedicht schreibt, das Haus putzt, ein wissenschaftliches Experiment durchführt oder an einem Wettlauf teilnimmt, die Erlebnisqualität steigt im Verhältnis zur investierten Anstrengung.» Alles, was man gern tut, bereitet Freude. Um die Freude an einer Tätigkeit zu bewahren, muss man aber die Komplexität der Aktivität erhöhen. Sonst wird sie schnell langweilig. Es ist immer möglich, ein neues Lied zu lernen, eine Fremdsprache zu perfektionieren oder bei einem Wettkampf alles aus sich herauszuholen.
Wir sollten düstere Gedanken nicht dadurch vertreiben, dass wir uns in passive Unterhaltungen wie Fernseh-Serien oder «Lifestyle»-Magazine flüchten, sondern indem wir eigene Fähigkeiten weiterentwickeln. Oder wie es der Wissenschaftsjournalist Stefan Klein ausdrückt: «Die Natur hat uns nicht eingerichtet, träge zu sein, und bestraft uns dafür mit unangenehmen Gefühlen. Glück entspringt der Aktivität: Bewegung, Sex, genaue Wahrnehmung. Vielfalt im Leben hat den nachweisbar stärksten Einfluss auf unser Wohlbefinden – weit mehr als jeder äussere Umstand wie Geld, Status oder Annehmlichkeiten.» Denn Glück, so Klein, ist weniger eine Frage der Lebenssituation als vielmehr eine Folge bestimmter Gewohnheiten, die sich jeder aneignen kann.
Empfehlungen des Dalai Lama
Vom Buddhismus kommt der Vorschlag, dass, um Frieden, Gelassenheit und Freundschaft zu erlangen, wir Ärger möglichst minimieren sowie Güte und Warmherzigkeit kultivieren sollen. Ohne inneres Glück können wir trotz Luxus nicht wirklich glücklich sein: «Wenn wir jedoch geistigen Frieden haben, dann können wir Glück auch unter den schwierigsten Umständen finden.» Die nachdrückliche Forderung, Selbstsucht aufzugeben und die volle Verantwortung für den Mitmenschen zu übernehmen, findet sich auch in anderen Religionen, zum Beispiel im Christentum. Christliche Normen wurzeln in einer Ethik des Teilens und der Solidarität, am radikalsten vielleicht ausgedrückt in dem Satz: «Liebe Deinen nächsten wie Dich selbst.» In seinem Buch «Der Weg zum Glück» empfiehlt der Dalai Lama einige Übungen, welche auch für Anfängerinnen und Anfänger geeignet sind:
- Denken Sie jeden Morgen über Ziele nach, die niemandem schaden.
- Nehmen Sie wahr, wie viel Leid es in Ihrem Leben gibt. Denken Sie über dessen Ursprung nach.
- Verwechseln Sie das Streben nach Geld nicht mit dem Weg zum Glück.
- Entwickeln Sie eine realistische Sichtweise Ihres Körpers.
- Begegnen Sie Problemen mit einer positiven Einstellung. Jede schwierige Situation, die Sie jetzt meistern, bleibt Ihnen in Zukunft erspart.
- Beurteilen Sie die Wirkungen von Gefühlen wie Begierde, Ärger, Eifersucht und Hass. Sie werden erkennen, dass sie Ihnen schaden. Analysieren Sie immer genauer, und allmählich wird Ihre Überzeugung stärker werden.
- Entwickeln Sie den starken Wunsch, anderen weder körperlich noch mit Worten zu schaden.
In den «Flow» finden
Es bleibt ehrlicherweise festzuhalten, dass es nicht leicht ist, ein sinnerfülltes, glückliches Leben zu führen. Glücksmomente, wo sich unser Fühlen, unser Wollen und Denken miteinander im Einklang befinden und wir innere Ruhe und Ausgeglichenheit finden, sind selten. Gemeinsam ist den hier vorgestellten Ansätzen aber, dass der Mensch seinen Gefühlen nicht hilflos ausgeliefert ist, sondern selbst, aber in Gemeinschaft mit anderen, etwas für sein Glück tun kann. Dazu gehört, so Csikzentmihalyi, dass man sich Ziele setzt: «Sie 'zentrieren' die psychische Energie, legen Prioritäten fest und schaffen so Ordnung im Bewusstsein. Fehlt diese Struktur, werden unsere Denkvorgänge willkürlich, und in vielen Fällen wird sich auch unser Gefühlsleben rasch abschwächen.»
Ziele verleihen dem eigenen Leben einen Sinn, konzentrieren uns auf eine Aufgabe und verhindern damit, dass sich unsere Aufmerksamkeit beim Grübeln oder bei Selbstmitleid aufbraucht. Wenn es gelingt, ein Problem nach dem anderen zu lösen und Aufgaben zu bewältigen, die weder über- noch unterfordern, stellen sich Glücksmomente ein, welche die Wissenschaft als «Flow» bezeichnet: Wir gehen in unserm Tun auf und vergessen die Welt um uns herum.